Rekordsommer und Jahrhundertfluten haben bereits heute immense Auswirkungen auf die breite Bevölkerung. Die internationalen, nationalen sowie lokalen Anstrengungen für den Klimaschutz sind von großer Bedeutung, um den Klimawandel zu stoppen. Das Klima verändert sich jedoch schon heute – mit spürbaren Folgen.
Vor dem Hintergrund einer verantwortungsbewussten, langfristig orientierten Daseinsvorsorge gehört die Anpassung an veränderte Klimabedingungen ebenso zur notwendigen Aufgabe wie der Klimaschutz selbst.
Extremwetterereignisse der letzten Jahre im Landkreis Lörrach (Quelle: Studie Klimawandelanpassung Energieagentur Südwest 2021).
Ergebnisse von Klimaprojektionen bezüglich der Temperaturen zeigen: Es ist ein weiterer Temperaturanstieg zu erwarten, während die Anzahl der Sommertage (Temperaturmaximum mindestens 25°C) zu- und die Anzahl der Frosttage abnimmt. Die Anstiege fallen dabei größer im Tiefland, als in den verglichenen höheren Lagen der Mittelgebirge aus. Die Ergebnisse im Hinblick auf Niederschlagsveränderungen zeigen eine unveränderte Gesamtniederschlagsmenge, die sich jedoch anders über das Jahr verteilt. Demnach nimmt die Niederschlagsmenge über den Winter zu, während es im Sommer weniger regnen wird und zu längeren Trockenperioden kommt.
Auf Wandel folgt Anpassung
Durch eine frühzeitige Planung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel will der Landkreis mögliche Synergien, aber auch Konflikte zwischen Klimaanpassung, Klimaschutz und anderen Zielen und Herausforderungen aufgreifen. Sicher ist, dass je stärker der Klimawandel ausfällt, desto teurer werden auch die Maßnahmen zur Anpassung an seine Folgen. Maßnahmen, die gleichzeitig Klimaschutz und Anpassung bieten, werden deshalb prioritär behandelt.
Aus aus den hier skizzierten Gründen, ergeben sich folgende Punkte, welche es zu adressieren gilt:
Auswirkungen des Klimawandels auf den Landkreis Lörrach (aktuell, nahe und ferne Zukunft)
Spezifizierung der Vulnerabilität („Verwundbarkeit“) im Landkreis
Entwicklung von langfristigen Maßnahmen, um sich an die klimatischen Veränderungen anzupassen
Prozess starten, um Betroffene bei der Erstellung von Maßnahmen zu beteiligen
Die vielfältigen Auswirkungen des Klimawandels erfordern ein ebenso vielfältiges Portfolio an Maßnahmen. Unter dieser Prämisse wurden im Landkreis Lörrach 12 Handlungsfelder identifiziert, welche die Problemfelder sowie adäquate Handlungsoptionen aufzeigen und clustern.
Im Folgenden werden diese Handlungsfelder und zugehörige Maßnahmen exemplarisch beschrieben.
Identfizierte Handlungsfelder:
Allgemeine Temperaturanstiege, häufigere Hitzephasen und die Zunahme von Extremwetterlagen können eine Belastung für viele Menschen darstellen. Zweitens ist damit zu rechnen, dass die Zahl der durch Vektoren (z.B. Zecken oder Stechmücken) übertragenen Erkrankungen zunehmen wird. Veränderte klimatische Bedingungen werden Populationsdichte und Verbreitungsgebiete solcher Vektoren sowie die Einwanderung von giftigen Arten oder Allergenen begünstigen. Drittens kann die UV-Strahlung in Zukunft wegen der Veränderung der stratosphärischen Ozon-Konzentration ansteigen, wodurch mit einer stärkeren UV-Exposition der Menschen zu rechnen ist.
Identifizierte Maßnahmen
Aufklärungs- und Warnsysteme etablieren
Bekämpfung von Vektoren, Infektionskrankheiten u.ä.
Reduktion von Schädlingsbefall in der Abfallbehandlung
Der Landwirtschaftssektor zeichnet sich in besonderem Maße durch Abhängigkeit von Wetter, Witterung und Klima aus, sodass die Veränderungen von Temperatur und Niederschlägen starke Auswirkungen nach sich ziehen. Außerdem ist mit einer Zunahme von Unkräutern, Schädlingen und Krankheitserregern zu rechnen, sodass ein erhöhter Bedarf für Pflanzenschutzmaßnahmen entsteht. Auch sind die meisten Kulturpflanzen sehr anfällig für Hitzebelastung. Langfristig wird dies zu Ertragsausfällen führen. Gleiches gilt für die Tierhaltung.
Identifizierte Maßnahmen
Beratung zu Anpassung an die Klimawandelfolgen für Landwirte
Monitoring und Bekämpfung neuartiger Schädlinge
Intensiv genutztes Grünland gezielt verbessern
Förderung von Agrophotovoltaik oder Agro-Forstwirtschaft
Der Wald erfüllt wichtige Funktionen wie z.B. CO2-Bindung, Bodenschutz, Wasserschutz, Lawinen- und Steinschlagschutz, Beschattung und Rohstoffproduktion. Die raschen Klimaveränderungen führen dazu, dass einheimische Baumarten ihre seit Jahrtausenden bewährte Anpassungskapazität verlieren. Vor allem können kurzfristige Klimaschwankungen wie lange Trockenperioden in den Sommermonaten sich deutlich negativ auswirken. Außerdem steigt durch diese Schwächungen auch das Risiko für Sekundärschäden durch Schädlinge wie Borkenkäfer.
Identifizierte Maßnahmen
Waldumbau voranbringen
Waldbrandgefahr minimieren
Öffentlichkeit- und Bildungsarbeit: Klimawandel sichtbar machen
Erhaltung der Nutz- Schutz und Erholungsfunktionen im Wald
Veränderungen in Temperatur und Niederschlag wirken sich direkt auf Arten, ihre Lebensräume und damit auch die Zusammensetzung von Biotopen aus. Die verfügbare Wassermenge ist für die Vegetation entscheidend, das Pflanzenwachstum hängt stark von der Temperatur ab. In ferner Zukunft sind nahezu alle Biotoptypen des Landes als mittel oder hoch vulnerabel einzustufen. Die biologische Vielfalt ist jedoch eine fundamentale Bedingung der menschlichen Existenz; sie sichert unsere Lebensgrundlagen wie saubere Luft, sauberes Wasser und intakte Böden. Gemäß den Roten Listen sind derzeit 30 bis 40 Prozent der Arten Baden-Württembergs gefährdet, auch ohne den zusätzlichen Gefährdungsfaktor Klimawandel.
Identifizierte Maßnahmen:
Bekämpfung von invasiven Krebsarten
Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten im Landkreis
Beteiligung am landesweiten Biotopverbundsysteme
Böden sind von zentraler Bedeutung für die Umwelt und stehen in wechselseitiger Beziehung mit dem Klima. Auch hier sind Niederschlag und Temperatur die wesentlichen Klimafaktoren. Zudem sind die Niedermoorböden in Baden-Württemberg aufgrund der aktuellen Nutzung nahezu flächendeckend hoch gefährdet.
Identifizierte Maßnahmen
Verbindliche Erosionsgefahrenkarten fortführen
Unterstützungsangebote zu Erosionsschutz für Gemeinden
CO2-Bindung von Biomasse / Böden / Wald
Wetter und Witterungsextreme führen immer wieder zu Verkehrsstörungen. Das Verkehrssystem ist sehr vulnerabel, da kleine punktuelle Störungen zu weitreichenden Beeinträchtigungen führen können. Insbesondere temperatur- als auch niederschlagsgetriebene Klimafolgen beeinflussen Verkehrswege sowie Verkehrsträger. Extremwetterereignisse wie z.B. plötzliche, starke Schneefälle und Eisglätte, Aquaplaning stellen eine erhöhte Gefahr für Verkehrsteilnehmer:innen dar. Ebenso können auch hohe sommerliche Temperaturen die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen und Unfallgefahren steigern.
Identifizierte Maßnahmen
Hitzeschutz im ÖPNV und Haltestellenbereich
Erhaltung der kreiseigenen Straßen
Vorbeugende Maßnahmen zum Erhalt der Straßeninfrakstruktur
Das Handlungsfeld Wasserhaushalt bezieht die Herausforderungen auf Grund von Hoch- und Niedrigwasser, die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, die Gewässerökologie, sowie die Entwässerung von Siedlungsgebieten ein. Jährliche Schwankungen führen dazu, dass die Grundwasserneubildung in den Sommermonaten eher geringer und in den Wintermonaten höher sein wird. Dies kann lokal erhebliche Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung haben. Zudem ist die Wassertemperatur hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen einer der wichtigsten Faktoren für die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften in Gewässern. Darüber hinaus liefern Starkniederschlagsereignisse Beiträge zu Hochwasserrisiken in Fließgewässern und zu erosive Sturzfluten auf Ackerflächen und bringen auch das Abwassersystem im städtischen Bereich schnell an seine Grenzen. Auf der anderen Seite führen die längeren Trockenzeiten z.B. zu geringeren Erträgen bei der Energiegewinnung durch Wasserkraft.
Sicherstellung der Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung
Umsetzung der Hochwasserrisikomanagementpläne des Landes
Entwicklung und Umsetzung eines Leitfadens zum Niedrigwassermanagement
Handlungsleitfaden und Pilotprojekte zum Thema "Schwammstadt"
Für die Stadt- und Raumplanung sind vor allem Klimafaktoren zur Wärmebelastung und Hitzeentwicklung von Bedeutung. Unter den Handlungsfeldern nimmt die Stadt- und Raumplanung eine Querschnittsrolle ein. Die Hitzebelastung wird in der fernen Zukunft nochmals deutlich zunehmen und sich negativ auf Morbidität, Mortalität und Leistungsfähigkeit des Menschen auswirken. Ebenso sind Schäden an baulicher Infrastruktur und Siedlungsgrün zu erwarten. Bisher liegt der Fokus größtenteils auf Klimaschutz. Die Dämmung kommunaler Gebäude wurde bisher z.B. nur unter diesem durchgeführt. Bauwesen und Stadtplanung können jedoch auch zur Klimawandelanpassung beitragen.
Identifizierte Maßnahmen
Analyse zu Wärmeinseln im Landkreis
Reduktion der Versiegelung von Flächen anregen
Informationsvermittlung zu Stadtbaumkonzept und insektenfreundliche Bepflanzung
Für das Handlungsfeld Bauwesen sind die Klimafolgen von Hitze, Starkregenereignisse und Dauerregen sowie Sturm, Hagel und Starkwindereignisse von Bedeutung. Der Gebäudebestand umfasst Wohngebäude im privaten und öffentlichen Besitz sowie öffentliche Gebäude. Hier rückt neben der winterlichen nun der sommerliche Wärmeschutz in den Fokus.
Identifizierte Maßnahmen
Erweiterung der bestehenden Energieleitlinie für die kommunalen Gebäude für klimarobustes Planen und Bauen
Schrittweise Anpassung von kommunalen Gebäuden an Klimaveränderungen bei Bau und Sanierung
Entwurf und Umsetzung einer Gründachstrategie sowie Aufbau eines Gründachkatasters
Beratung für Privatpersonen zu klimaangepassten Gebäudegestaltung
Weiterbildungsangebot für Handwerksbetriebe
Förderprogramm für Dach- und Fassadenbegrünung sowie Hofentsiegelung
Durch die Heterogenität der Wirtschaftssektoren, variieren die Chancen und Risiken und somit auch die Vulnerabilität innerhalb dieses Handlungsfeldes sehr. Dennoch legen bestehende Erkenntnisse nahe, dass es eine Reihe von Risiken gibt, die für nahezu alle Sektoren eine Rolle spielen: geringere Produktivität, erhöhter Verbrauch von Energie und Produktions- sowie Auslieferverzögerung wegen einer beschädigten Transportinfrastruktur.
Identifizierte Maßnahmen
Bewusstseinsbildung und Wissenstransfer für Unternehmen
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Energiewirtschaft beziehen sich sowohl auf die
Erzeugung, als auch auf den Energieverbrauch. Besonders Hitze und Niedrigwasser beeinflussen die konventionelle Energieerzeugung.
Auf die regenerative Energieerzeugung wirken sich die klimatischen Veränderungen sehr
unterschiedlich aus. Es können positive und negative Folgen auftreten, wobei aufgrund der
großen Diversität der Erzeugungsarten, die Folgen sich zum Teil gegenseitig ausgleichen
können. Sonnenscheindauer, Windgeschwindigkeiten, Abflussmengen und die Dauer der
Vegetationsperiode beeinflussen die Energie-Erträge.
Des Weiteren verschiebt sich die Energienachfrage im Jahresverlauf. Die milderen Winter senken langfristig den Bedarf an Heizenergie. Dem entgegengesetzt steht der höhere Bedarf an Kühlenergie in den wärmeren Sommern mit intensiveren Hitzeperioden.
Identifizierte Maßnahmen
Kooperation mit den Energieversorgern (EVUs)
Ausbau Erneuerbarer Energien im Landkreis vorantreiben
Sicherung der Notstromversorgung für sensible Einrichtungen
Für den Tourismus in Baden-Württemberg birgt der Klimawandel sowohl Risiken als auch Chancen. Der Anstieg der mittleren Tagestemperaturen ist dabei vor allem für den Wintersport problematisch. Die Tage mit Beschneiungspotenzial nehmen ab und die Schneesicherheit wird weiter abnehmen.
Die Tourismus-Saison des Sommers verlängert sich, wovon gerade der Outdoor-Tourismus in Frühling und Herbst sowie der Badetourismus, aber auch Camping-, Stadt- und Kulturtourismus, profitieren. Höher gelegene Orte im Schwarzwald werden zu „Sommerfrische-Orten“ aufgewertet. Allerdings können Trockenperioden wiederum die Gewässerqualität in Badeseen und das Landschaftsbild verschlechtern.
Identifizierte Maßnahmen
Erweiterung des Angebots und Produktentwicklung in Richtung klimaverträglicher und nachhaltiger Konzepte
Vernetzung der relevanten Akteur*innen im Tourismus
Sensibilisierung der Akteur*innen für die klimatische Änderung durch den Klimawandel z.B. Anbieten von Seminaren zum Thema Klimaschutz für touristische Leistungsträger*innen
Insgesamt wurden 12 Handlungsfelder erfasst und für jedes Handlungsfeld wird die Betroffenheit laut Literatur und nach Einschätzung durch die Fachbereiche und Gemeinden beschrieben. Darauf aufbauend wurden für diese Handlungsfelder insgesamt 48 Maßnahmen entwickelt, welche den Landkreis resilient für die zukünftigen Herausforderungen des Klimawandels machen sollen.
Durch eine frühzeitige Planung von Anpassungsmaßnahmen sollen zusätzlich mögliche Synergien, aber auch Konflikte zwischen Klimaanpassung, Klimaschutz und anderen Zielen und Herausforderungen erkannt werden. Dies ist eine wiederkehrende Optimierungsaufgabe. Ziel des vorliegenden Konzeptes ist es, das Thema Anpassung an den Klimawandel weiter in der Verwaltung zu verankern.
Jedoch ist die Anpassung an den Klimawandel ein interaktiver und iterativer Prozess. Mit Hilfe der Maßnahmen soll auf die sich verändernden Klimaauswirkungen reagiert und die Betroffenheit in der Region gesenkt werden. Da der Klimawandel weiter voranschreitet und die genauen, regionalen Auswirkungen mit Unsicherheiten behaftet sind, ist es unerlässlich, regelmäßig den Fortschritt der Maßnahmen sowie deren Zielerreichung zu kontrollieren.