Geschichte
1973 – ein größerer Landkreis entsteht
Der Landkreis Lörrach feiert im Jahr 2023 das 50-jährige Jubiläum – bezogen auf seine heutige Form und Größe. Denn zum 1.1.1973 tritt die baden-württembergische Kreisreform in Kraft, bei der die Zahl der Landkreise von 63 auf 35 stark reduziert wird. Wie kommt es, dass der alte Landkreis Lörrach gestärkt aus der Umstrukturierung hervorgeht und nicht, wie zwei seiner damaligen Nachbarkreise, verschwindet? Und was sind die Gründe für die Kreisreform gewesen, die eng mit der parallel laufenden Gebietsreform der Gemeinden (1971–1975) verzahnt ist?
Politische Rahmenbedingungen
Die späten sechziger Jahre sind eine Ära der Reformen, sowohl auf Bundesebene mit der Politik von Willy Brandt, wie auch beim Land Baden-Württemberg unter Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU). Seit den Landtagswahlen von 1968 führt er zusammen mit Innenminister Walter Krause von der SPD eine große Koalition, die mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit die Chance zu einer weitreichenden Modernisierung der Verwaltung ergreift. Gegen viele Widerstände in den Regionen werden im Landtag mehrere Reformgesetze verabschiedet mit der Absicht, die Strukturen von Gemeinde- und Kreisverwaltungen zu verbessern und effizienter zu machen.
Ziel der Kreisreform
In erster Linie möchte die Landesregierung die Kräfte in nur wenigen, aber dafür leistungsstarken Landkreisen bündeln. Anfangs schießen die Pläne über das Ziel hinaus. So fordert das Denkmodell des Innenministeriums 1969 für das ganze Land die Einteilung in nur noch 25 Großkreise. Dies hätte mit einiger Sicherheit die Auflösung des Kreises Lörrach bedeutet. In der Folge setzt sich, besonders auf Drängen der Union, die Einsicht durch, dass die Landkreise zwar einen größeren Zuschnitt als bisher erhalten müssen - doch sollte ein Besuch des Landratsamts innerhalb der Kreisgrenzen nicht allzu weit sein. Als gesetzliche Vorgabe wird festgeschrieben, dass die Landratsämter ihren Sitz stets in der größten Stadt des Kreisgebiets haben müssen. Mit dieser Regelung werden auch im südbadischen Raum einige Weichen vorzeitig gestellt, wie sich im Verlauf der Diskussion um Fortbestand, Neuzuschnitt oder Auflösung der bisherigen Landkreise Müllheim, Lörrach, Säckingen und Waldshut zeigt.
Tauziehen um Weiterbestand der Nachbarkreise
Während das Schicksal des Kreises Müllheim früh besiegelt ist – die kleine Stadt im Markgräflerland liegt zu dezentral und hat nur wenig Umland –, machen sich der Kreis und die Stadt Säckingen noch längere Zeit Hoffnung auf einen Fortbestand. Wiederholt wird dort versucht, das Konzept des ursprünglich erwogenen Großkreises entlang des Rheins neu zu beleben. Rückgrat und verbindendes Element soll die parallel zum Strom verlaufende, geplante Hochrheinautobahn sein. Dieser anfangs skizzierte Landkreis Hochrhein, in dessen Mitte das Landratsamt Säckingen gelegen hätte, wird jedoch vom Land verworfen - wegen seiner enormen Ausdehnung von Grenzach bis an die Grenzen des Kantons Schaffhausen. Auch hätte dann wegen der gesetzlichen Größenvorgabe die Stadt Rheinfelden (Baden) der ganz im Westen gelegene Kreissitz werden müssen. Für den weiteren Bestand und die Vergrößerung des Kreises Waldshut hingegen, ist der Zusammenschluss der beiden Städte Waldshut und Tiengen eine wesentliche Voraussetzung. Hinzu tritt die wichtige Entscheidung, dass die wirtschaftsstarke Stadt Wehr nicht (wie ursprünglich geplant) dem Kreis Lörrach zugesprochen wird. Damit erreicht der Kreis Waldshut die „kritische Masse“, die seine Existenz sichert. Den Protest der Einwohnerschaft von Hasel – die erfolgreich gegen die Zuweisung zum Kreis Waldshut protestiert und für den Kreis Lörrach eintritt (und Erfolg hat) – ist im Vergleich zum Zugewinn von Wehr verkraftbar.
Geografische Gunstlage von Lörrach
Nachdem das Modell eines „Hochrheinkreises“ vom Tisch ist, besteht für den Erhalt des Landratsamts in Lörrach und für den hiesigen Kreissitz kaum noch eine Gefahr. In den folgenden Entwürfen und Vorschlägen zur Kreisgebietsreform in den Jahren 1971/72 wird der Fortbestand des Landkreises Lörrach aufgrund seiner günstigen geografischen Lage nicht mehr in Frage gestellt. Als direktes Gegenüber der Stadt Basel – seit den Zeiten von Burg Rötteln als Verwaltungssitz der Markgrafen – und natürliches Zentrum des unteren Wiesentals bleibt Lörrach als Mittelpunkt eines Landkreises „gesetzt“. Allerdings sind wegen der Topografie auch die Möglichkeiten einer Erweiterung des Landkreises Lörrach begrenzt. Eine Expansion im Westen und Süden ist aufgrund der Staatsgrenzen und des Rheinufers ausgeschlossen. Veränderungen im Norden stehen die Gipfel von Blauen, Belchen und Feldberg im Wege. Die Grate und Bergrücken bilden seit jeher die Grenzen zu den benachbarten Amtsbezirken, sodass neue Gebietszuteilungen lediglich im Nordwesten und am südöstlichen Hochrhein sinnvoll erscheinen und auch erfolgen. In Richtung Freiburg erweitert sich der Kreis Lörrach bis nördlich von Schliengen, wo seither die Grenze zum Kreis Breisgau-Hochschwarzwald verläuft. Am Hochrhein kommt aus dem Säckinger Sprengel der südöstliche Dinkelberg und der Ufersaum bis kurz vor der Mündung der Wehra hinzu.
Umsetzung der Neugliederung
Damit werden zum 1.1.1973 die traditionsreichen alten Nachbarlandkreise Müllheim und Säckingen aufgelöst. Ihre jeweiligen Hauptbestandteile fallen an den neuen Kreis Breisgau-Hochschwarzwald bzw. an den erweiterten Kreis Waldshut. Kleinere Gebiete gehen in den Besitz des Landkreises Lörrach über, der an seiner nordwestlichen und südöstlichen Flanke anwächst. Am bedeutendsten ist die neue Zuweisung der Stadt Rheinfelden (Baden). Auch die Gemeinden Schliengen und Bad Bellingen sowie die Stadt Kandern und die Gemeinde Schwörstadt bringen neben anderen kleineren Orten einen Zugewinn an Fläche und Einwohnerzahl. Erster Landrat des erweiterten Kreises Lörrach wird Otto Leible (1927–2004). Er wechselt vom aufgehobenen Kreis Säckingen in den Kreis Lörrach, wo der bisherige Amtsinhaber, Landrat Wolfgang Bechtold (1908–1990), in Pension geht.