Pressemitteilung

Ministerialdirektorin Leonie Dirks macht sich vor Ort ein Bild zur Situation minderjähriger Geflüchteter im Landkreis Lörrach


Die aktuell hohen und weiter steigenden Ankunftszahlen von Geflüchteten im Landkreis Lörrach – speziell im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen – stellt den Landkreis Lörrach vor große Herausforderungen. Nach einem Schreiben von Landrätin Marion Dammann an Sozialminister Manne Lucha im vergangenen Monat machte sich am 27. September Leonie Dirks, Ministerialdirektorin und Amtschefin im Sozialministerium, vor Ort ein Bild von der Lage und tauschte sich mit der Landrätin und Vertreterinnen und Vertretern des Sozialdezernats über die aktuellen Herausforderungen aus, vor die der Landkreis Lörrach in der aktuellen Situation steht.

Zum Auftakt des Besuchs schauten sich Dirks und Dammann gemeinsam mit Bürgermeister Peter Schelshorn die Buchenbrandhalle in Schönau im Schwarzwald an, die Platz für bis zu 100 Menschen bietet und seit November 2022 als Unterkunft für unbegleitete minderjährige Geflüchtete unverzichtbar ist. Gerhard Rasch, Fachbereichsleiter Jugend & Familie, betonte bei der Besichtigung der Unterkunft, dass trotz der Rahmenbedingungen das Miteinander in der Halle sehr gut funktioniere. Bei allen Problemen hinsichtlich der Unterbringung und Betreuung, könne die Integration dieser Menschen auch eine Chance für unsere Gesellschaft, auch mit Blick auf den Fachkräftemangel, bedeuten. Umso wichtiger sei es, eine befriedigende Lösung für die aktuellen Herausforderungen zu finden.

Im Anschluss bekam die Amtschefin Dirks, die mit Dr. Simone Höckele-Häfner, Leiterin der Abteilung Gesellschaft und Sandro Mendicino vom Referat Kinder, Schutzkonzepte im Ministerium sowie Fleur Kaster vom Regierungspräsidium Stuttgart angereist war, auch einen kurzen Eindruck von der erst kürzlich aufgestellten provisorischen Zelt-Notunterkunft in Steinen, die Platz für bis zu 100 geflüchtete Kinder und Jugendliche bietet, die bisher allerdings noch nicht belegt werden musste.

Beim abschließenden anderthalbstündigen Fachgespräch im Neubau des Sozialdezernats formulierten Landrätin Dammann und Sozialdezernentin Elke Zimmermann-Fiscella konkrete Forderungen, um die Landkreise bei der Aufnahme geflüchteter Kinder und Jugendlicher angesichts der Herausforderungen effektiv zu entlasten.

Im Vordergrund stand bei dem Gespräch der Abbau bürokratischer Hürden und weniger komplexe Verfahren angesichts der aktuell außergewöhnlich hohen Zugangszahlen, insbesondere ein vereinfachtes Altersfeststellungsverfahren, vereinfachte Abrechnungsverfahren durch eine pauschalierte Übernahme sämtlicher Kosten der Notfallunterbringungen sowie eine vollständige Übernahme der erheblichen Personal- und Verwaltungskosten im Kontext der Notfallunterbringung für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Weiter forderte Dammann, eine schnellere Weiterverteilung der Kinder und Jugendlichen an die aufnehmenden Landkreise zu gewährleisten. Nicht zuletzt wurde auch die Situation an der Schweizer Grenze angesprochen, über die die Menschen nach Deutschland einreisen.

„Die Probleme sind vielfältig und komplex, aber ich kann versichern, dass das Land alle zur Verfügung stehenden Stellschrauben bereits nutzt oder in Bewegung setzen wird, um hier schnell zu entlasten. Wir stehen hier mit allen Ebenen, auch mit dem Bund, in Kontakt. Wir werden uns für eine schnellere Verteilung einsetzen und auch durch weniger bürokratische Verfahren und eine vereinfachte Abrechnungspraxis versuchen, in der aktuell schwierigen Situation so den Landkreisen zu helfen und in ihrer Arbeit zu unterstützen“, so Dirks. Mit Blick auf die ungleiche Belastung der Landkreise in Baden-Württemberg bei der Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter mahnte sie zudem eine höhere Solidarität auch zwischen den Landkreisen an.

Landrätin Dammann: “Als Landkreis im Dreiländereck verzeichnen wir mit die höchsten Zugangszahlen minderjähriger Geflüchteter in ganz Baden-Württemberg. Wir kommen unseren Verpflichtungen nach, aber wir sind hierbei auf pragmatische Lösungen und die Unterstützung des Landes angewiesen. Ich bin Ministerialdirektorin Dirks darum sehr dankbar für den konstruktiven Austausch und dass sie sich die Zeit genommen hat, sich ein Bild vor Ort zu machen. Es zeigt mir, dass das Land offen für unsere Anliegen ist und versteht, vor welchen Herausforderungen wir als Landkreise und Kommunen aktuell stehen.“

Ankunftszahlen unbegleiteter geflüchteter Kinder und Jugendlicher im Kreis Lörrach seit Januar 2022
Von Januar bis Oktober 2022 kamen im Landkreis Lörrach durchschnittlich neun geflüchtete Minderjährige im Monat an. Im November 2022 stieg die Zahl sprunghaft auf 277. Diese Spitze wurde bisher zwar nicht überstiegen, jedoch befinden sich die Zahlen seitdem auf einem hohen Niveau: Zwischen Dezember 2022 und Juli 2023 wurden monatlich zwischen 50 und 154 junge Geflüchtete aufgenommen. Im August musste der Landkreis 231 und im September bisher 226 minderjährige Schutzsuchende vorläufig in Obhut nehmen. Im Jahr 2022 waren es in Summe 521, in diesem Jahr bisher bereits 1.061. Bis Jahresende wird mit rund 1.500 unbegleiteten geflüchteten Kindern und Jugendlichen gerechnet, die der Landkreis 2023 vorläufig in Obhut nehmen muss.

Aktuell stehen 195 Aufnahmeplätze in zwei Hallen, einem kleinen Hotel und einer Wohnung zur Verfügung, die regelmäßig nahezu ausgelastet sind. An einem einzigen Wochenende im August musste der Landkreis 98 junge Menschen ad hoc unterbringen, versorgen und betreuen. Um künftig auf solche Situationen vorbereitet zu sein, wurde im September eine provisorische Zeltunterkunft in Steinen eingerichtet, um hier im Notfall auch kurzfristig eine große Anzahl minderjähriger Geflüchteter schnell unterbringen zu können.

Hintergrund: Minderjährige Geflüchtete unterliegen dem Kinder- und Jugendschutz
Kinder und Jugendliche, die ohne sorgeberechtigte Erwachsene unterwegs sind, unterliegen dem Kinder- und Jugendschutz und durchlaufen daher andere Verfahren als erwachsene Geflüchtete. Sie kommen nicht in den Gemeinschaftsunterkünften, sondern in Inobhutnahmestellen mit altersentsprechender Sozialbetreuung unter. Sie werden im Normalfall von der Bundespolizei aufgegriffen und umgehend dem Jugendamt des Landkreises übergeben. Die Ankünfte der jungen Menschen sind daher nicht im Voraus planbar. Bis zur Weiterverteilung in die ihnen durch den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg zugewiesenen Stadt- und Landkreise, muss sich der Landkreis Lörrach um die ersten Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, die medizinische Erstuntersuchung und -versorgung, die Altersfeststellung, die Klärung der Familiensituation, Verwandtschaftskontakte sowie um die Meldung an die Landesverteilstelle kümmern. In der Regel bleiben die jungen Menschen rund vier Wochen im Landkreis Lörrach.

Bildunterschriften:
Bild 1: Gerhard Rasch, Fachbereichsleiter Jugend & Familie, und Landrätin Marion Dammann veranschaulichen Ministerialdirektorin Leonie Dirks (links) die Situation der Geflüchteten in der Buchenbrandhalle in Schönau im Schwarzwald. Mit dabei: Sozialarbeiter Nasir Khpalwak
Bild 2: Konstruktiver Austausch im Landratsamt (von links): Landrätin Marion Dammann, Ministerialdirektorin Leonie Dirks und Sozialdezernentin Elke Zimmermann-Fiscella