Pressemitteilung

Hausärzte für die Zukunft gewinnen


Ende letzten Jahres hatte der Kreistag das Gremium der Kommunalen Gesundheitskonferenz damit beauftragt, eine vorausschauende Bedarfsanalyse zur hausärztlichen Versorgung im Landkreis Lörrach zu erheben, um sich zeitig mit der Problematik auseinanderzusetzen und Lösungen zu finden. Alle 149 niedergelassenen Hausärzte im Landkreis Lörrach wurden daraufhin zu ihrer aktuellen Situation und ihrer Praxisorganisation befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass Handlungsbedarf besteht.
 
Mehr Jungärzte notwendig – Entwicklung der Versorgungssituation
Noch hat jede größere Gemeinde im Landkreis ihren Hausarzt, aber das könnte sich in Zukunft ändern. Denn über 40 Prozent der Hausärzte sind 60 Jahre und älter – deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt. Konkret wollen 23 Hausärzte in den nächsten Jahren ihre Praxis abgeben, nur fünf haben bereits einen Nachfolger in Aussicht. Hinzu kommt, dass Hausärzte hier noch überwiegend in Einzelpraxen arbeiten. Diese ermöglichen zwar ein hohes Maß an Selbständigkeit und Patientenbindung, aber für junge potentielle Nachfolger sind Einzelpraxen eher unattraktiv und mit hohen Investitionskosten verbunden, beispielsweise durch eine strukturelle Umorganisation in eine Gemeinschaftspraxis. Viele junge Ärzte suchen heute die Möglichkeit, in Teilzeit und im Angestelltenverhältnis arbeiten zu können, auch um Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Sie wollen weniger finanzielle Verantwortung und Verwaltungsaufgaben übernehmen und schätzen das Arbeiten in einem kollegialen Team mit der Möglichkeit zur Spezialisierung. Dies bedeutet aber auch, dass für zwei ausscheidende Ärzte drei junge Hausärzte gewonnen werden müssen – so kalkuliert beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.
 
Nachwuchsgewinnung elementar
Im Rahmen der Daseinsvorsorge sind neben der Kassenärztlichen Vereinigung, die für die Sicherstellung der Versorgung zuständig ist, auch Landkreis und Kommunen gefordert. Am häufigsten wünschen sich Hausärzte für sich und für ansiedlungswillige Jungärzte mehr Unterstützung vor Ort: verfügbare Kinderbetreuungsplätze, Vermittlung von Immobilien und Finanzierungsmöglichkeiten sowie Kontakt zu lokalen Netzwerken. Dabei sollen auch neue Praxisformen mit mehreren Ärzten an zentralen Orten angedacht werden. Damit verbunden ist eine Umgestaltung der Arbeitsform durch Digitalisierung, Entlastung des Arztes durch nicht-ärztliche Heilberufe, neue Praxiskonzepte und Mobilitätsaspekte für Ärzte und Patienten. Das Landratsamt möchte mit dem angebotenen Engagement der Hausärzte bezüglich der Aus- und Weiterbildung von jungen Ärzten und Studenten gemeinsam den ärztlichen Nachwuchs in den Landkreis bringen. Durch positive Beispiele vom „Landarztsein“ sollen Anreize geschaffen werden, den Beruf des Hausarztes zu ergreifen und sich in der Regio niederzulassen.
 
Drohende Unterversorgung in Schopfheim – Analyse der aktuellen Versorgungssituation
Im Landkreis Lörrach ist der Ländliche Raum – das Obere Wiesental – in Teilen sehr gut hausärztlich versorgt, entgegen dem bundesweiten Trend. Dagegen ist im Mittleren Wiesental die Versorgung schon sehr viel schlechter. Eine deutliche Unterversorgung ist absehbar, wenn die älteren Hausärzte demnächst, auch aufgrund von Überlastung, ihre Praxen schließen und keine jungen Nachfolger gefunden werden können. Die Kassenärztliche Vereinigung berechnet hier noch eine ausreichende Versorgung, da sie den gut versorgten und den unterversorgten Bereich zu einem Mittelbereich zusammenfasst. Ziel ist es nun, aufgrund der vorliegenden Studie für den Bereich Schopfheim eine drohende Unterversorgung aufzuzeigen. Damit können auch Fördergelder für Praxisneugründungen und -umstrukturierungen in dieser Region beantragt werden.
 
Hausärzte: Von zufrieden bis ausgebrannt
Nach der regen Beteiligung an der Befragung von über 70 Prozent sehen auch die Hausärzte vor allem mangelnden Nachwuchs in der Allgemeinmedizin und eine ungleiche Verteilung der Ärzte als Ursachen für eine erschwerte flächendeckende hausärztliche Versorgung in der Zukunft. Sie weisen außerdem auf große berufspolitische Schwierigkeiten hin: überbordende Bürokratie, nicht angemessenes Einkommen bei hohem finanziellen Risiko und Regressforderungen. Dennoch haben die Hausärzte im Landkreis Lörrach überwiegend Freude an ihrer Arbeit, sind mit ihrem Beruf sehr zufrieden und würden diesen auch wieder ergreifen. 75 Prozent der jetzt niedergelassenen Hausärzte haben einen Teil ihrer Ausbildung in Südbaden absolviert. 70 Prozent der Ärzte bedauern, nicht mehr Zeit für Patienten zu haben und bereits ein Drittel der Hausärzte fühlt sich ausgebrannt.
 
Bedarf der Bevölkerung / Ausgebuchte Arztpraxen
Von Seiten der Bevölkerung besteht im Landkreis keine erhöhte Krankheitsbelastung. Alle untersuchten Bedarfsfaktoren, wie etwa Pflegebedürftigkeit, Lebenserwartung, Durchschnittsalter und Sozialökonomie zeigen günstigere Werte auf als im Landes- oder Bundesdurchschnitt. Fast alle Bürger des Landkreises können heute den nächsten Hausarzt binnen fünf Kilometern und zehn Autominuten erreichen. Der Kern des Problems ist allerdings die Erreichbarkeit eines Arztes mit freien Kapazitäten. Freie Kapazitäten dürften nur noch in den wenigen überversorgten Gebieten zu finden sein.
 
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Im Landesgesundheitsgesetz wurde festgeschrieben, dass die kommunale Gesundheitskonferenz auch in Fragestellungen zur medizinischen Versorgung beraten, koordinieren und vernetzen soll. Im Rahmen dessen entwickelt sie entsprechende Ziele und gibt bei Bedarf Empfehlungen ab. Weitere Informationen zur Gesundheitskonferenz stehen unter www.loerrach-landkreis.de/gesundheitskonferenz bereit.
Gemäß §75 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht.