Pressemitteilung

Neujahrsansprache der Landrätin Marion Dammann


Neujahrsansprache 2015
(es gilt das gesprochene Wort)

„Nur wenn wir in dieser Welt gemeinsam leben, Hass abbauen und Freundschaften schließen, nur dann hat diese Welt eine Zukunft.“ (Johannes Rau 1931 – 2006, dt. Bundespräsident)

Mit diesen Worten lassen Sie mich bitte auch im Namen des Kreistages, der Verwaltung sowie der Beteiligungen des Landkreises Lörrach Ihnen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Lutz, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Wilke, geschätzte Herren Oberbürgermeister und Damen und Herren Bürgermeister, Kreis-, Gemeinde- und Ortschaftsräte, geschätzte Gäste aus Nah und Fern, liebe Bürgerinnen und Bürger, ein gesegnetes, glückliches, gesundes und erfolgreiches 2015 wünschen.
Dürfen wir uns auf das neue Jahr freuen oder müssen wir Befürchtungen, gar Ängste, haben?
Wenn wir an den religiös motivierten Terror in Paris am 7. Januar 2015 denken, einen Anschlag auf die Meinungs- und Pressefreiheit weltweit, dann müssen wir vor allem Solidarität zeigen und für unsere Grundrechte und demokratischen Werte deutlich einstehen. „Nous sommes tous Charlie“ – die Staatsoberhäupter zahlreicher Länder haben gestern über Religionen, Kulturen und Sprachen hinweg ein starkes Signal gesetzt. Lassen Sie uns in Stadt und Landkreis 2015 für Frieden, Freiheit und Demokratie deutliche, nicht nur symbolische Zeichen setzen.
Auch 2014 waren die Nachrichten geprägt von Krisen, Kriegen und Katastrophen. Gekämpft wurde an der Grenze zur Türkei, im Osten der Ukraine, in Syrien, im Irak, in Israel und Palästina. Die Gräueltaten der IS lassen uns erschrecken und trotzdem finden sich auch deutsche Staatsbürger, welche sich daran beteiligen. Tödliche Krankheiten, insbesondere der Ebola-Virus, grasieren in Afrika.
Alles weit weg? Nein! Dicht bei uns und angesichts unserer Mobilität an gut erreichbaren Orten. Und trotzdem ist für Viele das rettende Ufer so weit entfernt. Zahlreiche Menschen ließen auf der Flucht ihr Leben, insbesondere auch im Mittelmeer vor den Küsten Italiens, dort wo wir alle sehr gerne unseren Sommerurlaub genießen.
Auch die Weihnachtszeit machte keine Pause. Was wünschten sich z. B. die Kinder? In der „Zeit“ vom 23. Dezember 2014 war zu lesen, dass sich ein achtjähriges syrisches Mädchen, dessen Haus an der Frontlinie zwischen dem Assad-Regime und den Rebellen stand, wünscht, dass ihr Onkel wieder lebt, sie mit ihren Cousins spielen kann und ihren Stoffbären zurückerhält. Oder der 14-jährige Schahin aus Bengasi, welcher sich wünscht, wieder laufen und Fussball spielen zu können und eine neue Hand. Seine hat er bei einer Detonation verloren.
Diese Wunschzettel sind kaum vergleichbar mit denen, die unsere Kinder schreiben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich freue mich, dass unsere Kinder überwiegend unbeschwert aufwachsen und dass ihre immateriellen und materiellen Wünsche anders aussehen dürfen. Was ich möchte, ist Verständnis für die Menschen erzeugen, die ihre Heimat, Kriegs- und Krisengebiete verlassen, um in Frieden und ohne Angst leben zu können. Und ich bin sehr dankbar, dass sich im Landkreis zahlreiche Menschen finden, die diesen Flüchtlingen helfen. Bitte lassen Sie nicht nach in Ihrer Hilfsbereitschaft! Denn weltweit sind 51 Mio Menschen auf der Flucht, das sind 63 % der deutschen Bevölkerung. Im Jahr 2014 sind mehr als 200.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, 26.000 davon nach Baden-Württemberg und 525 in den Landkreis. Beeindruckende Zahlen, hinter welchen jeweils eine persönliche Geschichte, ein Schicksal und Not stehen. Es hilft uns daher zunächst auch nicht weiter, über Kosten und Nutzen von Zuwanderung zu diskutieren. Die Gewährung von Asyl ist kein Akt der Freiwilligkeit. Das Recht auf Asyl ist völkerrechtlich verbindlich und in unserem Grundgesetz verankert. Ein Recht, das den Menschen Schutz gewährt. Gesetzliche Vorgaben allein reichen aber nicht, um den Menschen und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir haben den Auftrag, administrative Voraussetzungen für die Aufnahme zu schaffen und die Solidarität zu bündeln.
Dafür haben wir in 2014 viel getan und werden auch 2015 alle Ressourcen aktivieren, um einerseits eine gute Willkommenskultur zu etablieren und andererseits dabei das soziale Gefüge in unserem Landkreis im Blick zu behalten.
Unsere Strukturen sind klar: Das Land Baden-Württemberg ist für die Erstaufnahme der Flüchtlinge zuständig. Den Landkreisen werden nach einem Verteilerschlüssel die Flüchtlinge zugewiesen und haben diese in sog. Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, wo die Menschen maximal 24 Monate leben. Danach erfolgt die Anschlussunterbringung in den Städten und Gemeinden. In unseren Gemeinschaftsunterkünften kümmern sich die Heimleitungen, welche Mitarbeiter des Landratsamtes sind, um die Aufnahme, die erste Ausstattung und Orientierung. Die Sozialbetreuung übernimmt in unserem Auftrag die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände. Caritas und Diakonie informieren zum Asylverfahren, betreiben Krisenintervention, entwickeln mit den Menschen Lebensperspektiven und bieten Angebote für Kinder und Jugendliche sowie Sprachförderung. Natürlich begleiten und koordinieren wir auch die ehrenamtlich Tätigen, denn die Bereitschaft zu helfen, ist in unserem Landkreis glücklicherweise sehr hoch. Die Gemeinden Wieden, Schönau und Todtnau sind dafür ebenso hervorragende Beispiele wie Rheinfelden, Lörrach und Efringen-Kirchen. Ein besonderes Augenmerk liegt bei den Kindern und Jugendlichen, welche in Kindergärten vor Ort oder in Vorbereitungsklassen von der Grundschule bis zur Gewerbeschule von den Bildungseinrichtungen versorgt werden. Das alles erfordert personelle und finanzielle Ressourcen.
Das Land Baden-Württemberg wird bis 2016 zusätzlich 30 Mio € für Flüchtlinge leisten und zusätzliche Erstaufnahmestellen schaffen. Auch der Bund ist nicht untätig, sondern unterstützt, z. B. durch weitere finanzielle Beteiligungen und durch die Änderung der baurechtlichen Vorschriften. Doch müssen die Maßnahmen Umsetzung finden, damit sie auch bei uns im Landkreis Lörrach ankommen und deswegen hat der Kreistag im November 2014 noch eine Resolution zum Thema Flüchtlingsunterbringung und –versorgung gefasst. Der Landkreis wird in den nächsten Jahren weitere Gemeinschaftsunterkünfte und Übergangsheime schaffen (im Januar werden uns 86 neue Flüchtlinge zugewiesen) und werden wir noch besser das ehrenamtliche Engagement koordinieren und bündeln. Wir laden schon heute alle Interessierten zu verschiedenen Informationsabenden ein.
Wir möchten mit den Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch bleiben. Uns ist bewusst, dass Ängste und Befürchtungen u. a. vor Überfremdung, sozialer Ungerechtigkeit und Kriminalität bestehen. Auf viele Fragen gibt es Antworten, oder es kann eine differenzierte Diskussion geführt werden. Wir können nicht eine 100 %-ige Sicherheit versprechen, was wir auch für unsere deutsche Bevölkerung nicht gewährleisten könnten. Aber wir können mit unseren Kooperationspartnern, den Kirchen und Religionsgemeinschaften, Unternehmen, Bildungseinrichtun-gen, Vereinen und sonst ehrenamtlich Tätigen sowie der Bürgerschaft, den Städten und Gemeinden uns interkulturell weiter öffnen. Gemeinsam können wir eine Willkommenskultur und Integrationspolitik entwickeln, die vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen, der Fachkräftesicherung und der Gestaltung guter Zukunftsperspektiven zur Attraktivität der Kommunen beitragen können. Ich bin überzeugt, dass es uns gemeinsam durch die Verbesserung und Erweiterung von Teilhabemöglichkeiten für Migranten gelingt, ihre kulturellen, sozialen und wirtschaften Potenziale für das Gemeinwesen aufzuzeigen, indem wir bedarfsgerechte und differenzierte Integrationsangebote machen. Kulturelle Vielfalt ist eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Chance, die wir hier im Dreiländereck immer wieder positiv wahrgenommen haben. Lassen Sie mich schließen mit einem ganz besonderen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes, die Tag und Nacht ohne Rücksicht auf Wochenenden minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge aufgenommen haben, Flüchtlingsunterkünfte gesucht, geprüft und Verträge abgeschlossen haben, weiterhin den Gemeinden und Städten, stellvertretend genannt den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern, die sowohl die Anschlussunterbringung als auch Standorte für Gemeinschaftsunterkünfte beherbergen und nochmals unseren Kooperationspartnern und den Bürgerinnen und Bürgern, die in vielfältigster Weise für die Flüchtlinge gesorgt haben. Ein herzliches Dankeschön für Humanität, Solidarität, Toleranz, Respekt und eine wertschätzende Haltung. In diesem Sinne gestatten Sie mir bitte, mit der Jahreslosung aus dem Römerbrief für 2015 zu schließen, denn ich persönlich denke, dass er den Leitgedanken für das neue Jahr und damit unseren Auftrag gut zusammenfasst:
„Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat, zu Gottes Lob.“